Zuerst Schulden abbezahlen oder investieren?

Share this post:

Soll ich zuerst meine Schulden abbezahlen oder investieren?“ – eine Frage, die fast jede:r irgendwann stellt. Gerade in Zeiten steigender Zinsen, hoher Inflation und ständig neuer Finanz-Apps wirkt sie aktueller denn je. Die einen sagen: „Schuldenfreiheit ist die beste Rendite.“ Die anderen meinen: „Wer früh investiert, profitiert langfristig vom Zinseszinseffekt.

Warum diese Frage so zentral ist

Sowohl das Tilgen von Schulden als auch das Investieren sind Wege, um langfristig finanzielle Freiheit zu erreichen. Der Unterschied:

  • Schulden belasten Ihr Vermögen – Zinsen wirken negativ.

  • Investitionen vermehren Ihr Vermögen – Zinsen und Renditen wirken positiv.

Daraus ergibt sich die Frage der Opportunitätskosten: Wenn Sie Ihr Geld für A einsetzen, verzichten Sie auf B. Tilgen Sie Schulden, verzichten Sie auf Renditechancen. Investieren Sie, zahlen Sie länger Zinsen. Genau diese Abwägung macht die Entscheidung so spannend – und so persönlich.

Schulden tilgen – der Weg der Sicherheit

Vorteile

Das Abbezahlen von Schulden hat viele Pluspunkte:

  • Garantierte Rendite: Jeder abbezahlte Kredit spart Zinsen – sicherer als jede Anlage.

  • Geringeres Risiko: Keine Mahngebühren, keine steigenden Schulden.

  • Bessere Bonität: Ihre Kreditwürdigkeit steigt.

  • Psychologische Entlastung: Schuldenfreiheit bedeutet innere Ruhe und Sicherheit.

Nachteile
  • Verpasste Marktchancen: Wer nur tilgt, profitiert nicht von Börsenaufschwüngen.

  • Kein Zinseszinseffekt: Vermögensaufbau startet später.

Unterschiede nach Schuldenart

Nicht jede Schuld ist gleich:

  • Hochzins-Schulden wie Kreditkarten oder Konsumkredite haben Priorität. Zinsen zwischen 8–15 % lassen sich durch Investieren kaum schlagen.

  • Niedrigzins-Schulden wie Hypotheken oder Studentendarlehen können im Einzelfall weniger drückend sein. Hier lohnt sich eine Abwägung.

Beispiel: Ein Kredit mit 8 % Zinsen kostet Sie mehr, als ein typisches Aktieninvestment mit 6 % Rendite einbringt. Tilgung ist hier die klar bessere Wahl.

Investieren – der Weg des Vermögensaufbaus

Vorteile

Investieren bietet die Chance auf:

  • Zinseszinseffekt: Kapital wächst über die Jahre exponentiell.

  • Inflationsschutz: Sachwerte wie Aktien oder Immobilien wahren Kaufkraft.

  • Kapitalmarktchancen: Sie profitieren vom Wachstum globaler Märkte.

Nachteile
  • Marktrisiko: Schwankungen können nervenaufreibend sein.

  • Keine Garantie: Verluste sind möglich.

  • Psychologischer Druck: Ein Börsencrash erfordert Disziplin.

Beispielrechnung

Wer 10.000 CHF zu 6 % Rendite investiert, hat nach 20 Jahren rund 32.000 CHF.
Hätte dieselbe Summe stattdessen einen Kredit mit 8 % Zinsen getilgt, wären über denselben Zeitraum mehr als 46.000 CHF an Zinskosten vermieden worden. Das zeigt: Die Entscheidung hängt immer von der Zinshöhe ab.

„Wer Schulden tilgt, investiert in seine finanzielle Sicherheit. Wer investiert, investiert in seine Zukunft. Die Kunst liegt darin, beide Wege intelligent zu kombinieren – im Einklang mit der eigenen Lebenssituation.“

Bekir Vejseloski
CEO

Psychologische und emotionale Aspekte

Neben Zahlen und Renditen spielen auch psychologische Faktoren eine große Rolle. Viele Menschen empfinden es als enorme Entlastung, schuldenfrei zu sein. Die Vorstellung, keine Verpflichtungen mehr zu haben, verschafft innere Ruhe und Sicherheit. Auf der anderen Seite motiviert es, früh mit dem Investieren zu beginnen und das Gefühl zu erleben, dass das eigene Geld für einen arbeitet. Die richtige Balance hängt stark vom eigenen Risikotyp ab – ebenso wie von der Lebensphase. Junge Anleger:innen können Marktschwankungen leichter verkraften, während Familien mit einer Hypothek oft Stabilität bevorzugen.

Der Mittelweg – Kombinieren statt Entscheiden

Es muss nicht unbedingt ein Entweder-oder sein. In vielen Fällen ist eine Kombination der klügste Weg. Wer zum Beispiel einen Teil seines monatlichen Überschusses für die Tilgung von Schulden nutzt und den anderen Teil investiert, profitiert von beiden Ansätzen. Ein verbreitetes Modell ist, etwa siebzig Prozent des verfügbaren Geldes für die Schuldentilgung einzusetzen und dreißig Prozent für den Vermögensaufbau zu investieren.

Besonders wichtig ist dabei ein Notgroschen. Erst wenn eine ausreichende Liquiditätsreserve vorhanden ist, sollte man konsequent Schulden tilgen oder investieren. Denn nur so lassen sich unvorhergesehene Ausgaben abfedern, ohne neue Schulden machen zu müssen.

Die Entscheidung, ob Schulden getilgt oder investiert werden soll, lässt sich gut mit einigen Leitfragen strukturieren. Wie hoch ist der Zinssatz meiner Schulden im Vergleich zur erwarteten Rendite einer Investition? Welche Art von Schulden habe ich und wie lange laufen sie noch? Welche Ziele verfolge ich, welchen Zeithorizont habe ich und wie viel Risiko bin ich bereit zu tragen? Schließlich: Habe ich genug Rücklagen, um kurzfristige Ausgaben ohne Kreditaufnahme zu bewältigen?

Als Faustregel gilt: Liegt der Zinssatz der Schulden über sechs Prozent, ist Tilgung meist die bessere Wahl. Bei unter drei Prozent können Investitionen sinnvoller sein, weil die Renditechancen den Zinsaufwand übersteigen. Im Bereich zwischen drei und sechs Prozent kommt es stark auf die individuelle Situation an.

Viele Menschen konzentrieren sich ausschließlich auf eine Seite. Wer nur tilgt, verpasst langfristig die Chance auf Vermögenswachstum. Wer nur investiert, riskiert, dass Hochzins-Schulden weiter anwachsen und mehr kosten, als die Anlage einbringt. Ein weiterer häufiger Fehler ist das Fehlen einer Liquiditätsreserve. Ohne Notgroschen führt eine unerwartete Ausgabe schnell zu neuen Krediten. Schließlich treffen viele ihre Entscheidungen emotional statt rational – und lassen sich von kurzfristigen Gefühlen statt von Zahlen und Fakten leiten.

Ihre Entscheidung, Ihr Plan

Ob es sinnvoller ist, zuerst Schulden abzubezahlen oder zu investieren, hängt von den individuellen Umständen ab. Zinshöhe, Schuldenart, persönliche Ziele, Risikoprofil und Lebensphase sind die entscheidenden Faktoren. In vielen Fällen erweist sich ein Mittelweg als der beste Ansatz: erst Hochzins-Schulden konsequent abbauen, parallel Rücklagen aufbauen und dann mit dem Investieren beginnen. Wichtig ist nicht, eine perfekte Entscheidung zu treffen, sondern bewusst und strukturiert vorzugehen – und den gewählten Plan konsequent umzusetzen.